In meinen Beratungsgesprächen frage ich die Menschen immer danach, welcher Aspekt des Sprachenlernens ihnen zu Schulzeiten schwer gefallen ist und 9 von 10 Personen antworten halb ehrfürchtig, halb entsetzt: GRAMMATIK! Es ist ein unumgängliches Thema für den Schüler sowie für den Lehrer. Nur 8% der Weltbevölkerung empfinden die Grammatik als leicht verständlich, ja lieben sie geradezu und pflegen einen leidenschaftlichen Umgang mit ihr. Auch ich gehöre dazu und empfand zu Schulzeiten sämtliche Unterrichtsstunden, in denen Grammatik gelehrt wurde, als spannend und bereichernd. In der Grundschule halfen mir Merksätze und Reime, später dann am Gymnasium habe ich einen Text gelesen und mir die Regeln – quasi induktiv – selbst beigebracht. Im Studium wiederum profitierte ich von meiner Vorstellungskraft, indem ich mir zum Beispiel beim Thema Zeitformen die Situation oder Handlung bildlich vorstellte. Doch welche Methode lässt nun die restlichen 92% zu Grammatikgenies werden?
Die Grammatik einer europäischen Fremdsprache kann in einem 200-seitigen Buch umfassend erklärt werden. Es ist beruhigend zu wissen, dass ein Normalsterblicher nur gut die Hälfte davon beherrschen muss, um sich in einer Fremdsprache adäquat und grammatisch korrekt auszudrücken. Denn wirklich lernenswert sind nur die grammatischen Phänomene, die dem Deutschen unähnlich sind. Doch jede auswendig gelernte Regel nützt uns im Dialog mit einem Engländer, Franzosen oder Spanier nicht viel, da unser Gehirn gar nicht dafür gerüstet ist, Regeln beim Sprechen anzuwenden. Denn im Laufe der Evolution war Grammatik nebensächlich und hat noch nie zum Überleben der Menschheit beigetragen. Auch ich sage immer zu meinen Kunden: Was nützt euch alle Grammatik der Welt, wenn euch die Vokabeln nicht einfallen? Nichtsdestotrotz müssen wir das unbeliebte Stiefkind irgendwie integrieren.
Meine Lernmethode im Studium war schon gar nicht so verkehrt. Vorteilhaft beim Lernen ist es die linke und die rechte Gehirnhälfte zusammenarbeiten zu lassen, wie zum Beispiel beim Lesen. Wenn wir lesen, visualisieren wir auch und können so das Gelesene gut im Gedächtnis behalten. Aber: Unser Gehirn kann Satzstrukturen nicht im Langzeitgedächtnis speichern, dafür aber Inhalte und Bedeutungen umso besser. Manche Regeln müssen einem durch Minisituationen oder Bilder greifbar gemacht werden. Diese mentalen Bilder helfen uns dann beim Sprechen die Regel richtig anzuwenden. Für die französischen Vergangenheitszeitformen nehme ich immer gerne das Beispiel einer Theaterkulisse. Man stelle sich diese einmal vor: Alles was auf der Bühne im Hintergrund steht und passiert (Deko, Wetter, Kleidung, Vogelgezwitscher, etc.) wird im Imperfekt beschrieben. Dagegen werden sämtliche Handlungen auf der Bühne à la "Er erschoss den zwitschernden Vogel" ins Perfekt gesetzt. Natürlich funktioniert das nicht nur mit Bildern, sondern auch mit Signalen, Gesten oder Farben. Fragt gerne mal den Lehrer eures Vertrauens ;)
Mit der richtigen Herangehensweise und Methodik muss Grammatik keine Herausforderung mehr darstellen. Es gilt immer der Grundsatz: So wenig wie möglich, so viel wie nötig!
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